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Ein Rechenzentrum im Norgendwo

Ein Rechenzentrum mitten auf dem oberschwäbischen Land. Klingt erst einmal absurd, aber genau das wird in Ringgenweiler Realität werden. Es gibt viele Gründe, warum die beiden Geschwister Matthias Natterer und Bettina Schmode ausgerechnet in dem Horgenzeller Teilort ein solches Projekt starten.

Läuft alles nach Plan, könnte schon Mitte des Jahres der Spatenstich erfolgen.

Der Name Natterer ist in der Gemeinde Horgenzell nicht unbekannt, denn die Geschwister stammen aus Ringgenweiler. Uropa, Opa und Vater waren schon als Unternehmer in der Gemeinde Horgenzell aktiv. „Wir haben in der Schweiz studiert und dann schließlich das Unternehmen 42-N AG gegründet“, berichtet Matthias Natterer. Sitz des Unternehmens ist Rotkreuz im Kanton Zug. Bis vor wenigen Jahren lebten die Geschwister in der Schweiz. Für beide sei immer klar gewesen, dass sie in der weitgefassten Bodenseeregion ihr Zuhause haben werden. Doch jetzt zieht es sie auch geschäftlich wieder zurück in die Heimat, weil sie beide in Ringgenweiler aufgewachsen sind. Im Gepäck haben sie eine Idee, die für die IT-Infrastruktur in der Region eine große Bedeutung haben wird.

Im ehemaligen Wohnhaus der Großeltern haben sie auf die Schnelle Büros eingerichtet, in denen jetzt die Pläne für das Rechenzentrum vorangetrieben werden, das im neuen Gewerbegebiet des Ortes entstehen soll. Die Vorbereitungen sind schon weit gediehen. Das Grundstück ist gekauft, das Projekt mit der Gemeinde abgestimmt. Am 25. Februar wurde das Vorhaben erstmals im Amtsblatt veröffentlicht. Die Daten sind beeindruckend für den kleinen Ort. Die Geschwister wollen Arbeitsplätze für bis zu 25 Mitarbeiter schaffen. Es soll Raum für 800 Racks entstehen, flapsig gesagt sind das 800 Regale für Cloud, Datenspeicher und Server, auf denen Daten verarbeitet werden können.

Im Augenblick stehen bereits mehr als 200 Interessenten auf der Anmeldeliste, in den ersten Bauabschnitten wäre Platz für die Server von bis zu 2000 mittelständischen Kunden. Doch wie kommt man auf die Idee, ein Rechenzentrum ausgerechnet im oberschwäbischen Nirgendwo zu gründen? „Wir glauben, dass es hier einen großen Markt gibt“, sagt Natterer und meint damit die vielen innovativen Unternehmen in der Region, die oft auch internationalagieren. Zudem habe die Region auch sonst gute Voraussetzungen wie zum Beispiel Hochschulen, die die benötigten Fachkräfte ausbilden.

Man brauche nicht nur einen Ort, sondern auch die Menschen, so Natterer.

Dann gibt es noch eine wichtige Voraussetzung, die wahrscheinlich nur Kennern bekannt sein dürfte: Eine der wichtigsten Datenautobahnen Europas verläuft durch die Region – nämlich die zwischen Frankfurt, München und Zürich. Bei einer Datenautobahn verhält es sich ähnlich wie bei einer richtigen Autobahn: Eine Auffahrt ist wichtig. Das lasse sich von Ringgenweiler aus gut machen.

Und dann ist da natürlich auch noch ein Punkt, der nur auf den ersten Blick ein Nachteil sein könnte, den Natterer hingegen als großen Vorteil wertet: das oberschwäbische Nirgendwo. „Warum die Daten in den großen Zentren wie in Frankfurt speichern, wenn es auch regional geht? Der Kunde weiß dann, wo seine Daten lagern und dass sie sicher sind. Sie liegen nicht auf irgendwelchen ausländischen Servern“, sagt Natterer. Letztlich habe sie die Risikoanalyse des Standorts überzeugt, das Projekt in Ringgenweiler umsetzen zu wollen. „Denn hier gibt es nichts außer Kühe, Natur und Menschen. Wir sind weit weg von den großen Ballungszentren“, sagt Natterer. Somit ließen sich alle Risiken der Ballungszentren umgehen.

Mit Sicherheit kennt sich 42-N aus. Die Referenzen sind beeindruckend. Das Unternehmen bietet bislang Beratungsdienstleistungen im Bereich Digitalisierung und Engineering, bietet aber auch Trainings für Unternehmen und Coaching an. Für Letzteres ist Bettina Schmode verantwortlich. Zu ihren Kunden zählen bislang Unternehmen aus der kritischen Infrastruktur. Als Referenzen geben sie unter anderem den Energieversorger Vattenfall, die Polizei Berlin oder den Schweizer Stromnetzbetreiber Swissgrid an. Für das Rechenzentrum in Ringgenweiler wollen sie noch eine deutsche Firma gründen.

Die beiden jungen Unternehmer machen aber auch klar, dass man in Ringgenweiler keine Angst haben müsse, dass das Datenzentrum als riesiger schwarzer Block mit Stacheldraht in der Landschaft auftauchen wird. „Wir wollen, dass sich das Rechenzentrum in die Natur einfügt“, sagt Bettina Schmode, und Matthias Natterer ergänzt: „Da kann auch eine Kuh obendrauf stehen, da der Großteil des Gebäudes unter der Wiese liegen wird.“ Wichtig sei ihnen zudem ein nachhaltiges Projekt. Sie planen mit dem Rechenzentrum auch ein Nahwärmenetz, das mehr als 50 Wohn- und Gewerbeeinheiten versorgen könne.

Am 24. April soll das Rechenzentrum dann auch auf der Tagesordnung des Horgenzeller Gemeinderats stehen.